29.07.2010

Vorbereitungen: Teil 2

Unser Reisegefährt hat uns bereits ein paar schon fast abenteuerliche Geschichten bereitet.
Es brauchte zum Beispiel einen neuen Motor:Um einen Motor, der in ein so altes Gefährt passt, zu finden, sucht man besser ausserhalb der Schweiz, z.B. in Frankreich. Dort wurden wir bei einem ausgewanderten englischen "Autobastler" in Luthenay-Uxeloup fündig! Im Vergleich zu Schweizer Garagen geht es dort eher unkonventionell zu und her:
Auf der Wiese vor dem Haus wird gleich gestestet, ob der neue (revidierte) Motor auch wirklich funktioniert, um ihn danach für die Reise in die Schweiz zu verladen:
Die "Herztransplantation" für unser Reisegefährt verlief ohne grössere Komplikationen und hat sogar den positiven Nebeneffekt, den Dieselverbrauch etwas zu senken.
Seither ist der "Innenausbau" im Gange. Die erste Zwischenetappe - Tisch und Bank - konnten bereits eingeweiht werden.Und selbst die "Hauptprobe" Übernachten kann als Erfolg bezeichnet werden, wobei die Rahmenbedingungen (sommerliche Südwallis-Temperaturen) äusserst angenehm waren.

Vorbereitungen für die nächste Reise

Reiseziel:
Georgien - Südkaukasus

Reiseart:
"slow travel" (http://www.slowtraveleurope.eu/slow-travel-manifesto)

Reisezeit:
6 Wochen im Herbst 2010

Reiseroute, Hinweg (ungefähr geplant):
Zürich - Pass dal Fuorn - Bolzano - Trieste - Dragonja - Skradin - Mostar - Petrovac - Shkodër - Tirana - Ohrid - Satovcha - Filippi - Istanbul - Vezirköprü - Tbilissi

in Georgien:
Tbilissi, Adscharien, Megrelien, Swanetien, Kartli, Kachetien, und vieles mehr...

Reiseroute, Rückweg (ungefähr geplant):
Poti - [Fähre] - Odessa - Tiraspol - Chisinau - Iasi - Miercurea Ciuc - Szekesfehervar - Obervellach - Sent - Zürich

Reiseprojekt:
The bilingual expedition! 2 bilingual travellers are going to explore the degree of bilingualism in Eastern Europe. Why? More than 60% of the world's population is bilingual or multilingual. The concept of "one nation one language" is superannuated since a long time. So we hope to find and to speak to a lot of bilingual and multilingual persons. Do you want to know more about my research project in bilingualism? Check out here:
http://sites.google.com/site/sandratinner/

Fragen:

Warum gerade Georgien?
Weil wir ums Schwarze Meer herum schon einige interessante Entdeckungen gemacht haben: Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Istanbul... Und weil Georgien sehr viel Interessantes zu bieten hat: eine fast unlernbare Sprache, eine einzigartige Schrift, eine hochstehende Kultur, fantastische Landschaften, imposante Berge, eine vielgelobte Küche, sehr gastfreundliche Menschen, ein grosses musikalisches Erbe, etc., etc. Doch trotz all dieser Vorzüge ist Georgien kein Massentourismusland (zum Glück für uns!). Ja, mir hat sogar mal ein Bekannter berichtet, er habe seine Freundin, die unbedingt Strandferien buchen wollte, mit der Bemerkung "nein, wir fahren nach Georgien" erschreckt! Da kann ich nur sagen: zum Glück hat dieser Bekannte nicht mich als Freundin...;-)


Warum nehmt ihr nicht das Flugzeug?
Diese Frage hat man uns schon oft gestellt, z.B. 2008, als wir mit dem Zug bis nach Istanbul gefahren sind (mit 10tägigem Zwischenhalt in Rumänien (siehe hier: http://drum-bun.blogspot.com/2009/07/drum-bun_29.html): "Aber mit dem Flugzeug wäret ihr doch viel schneller gewesen?!" Ja, aber das ist nicht das Ziel, sondern eben der Weg. Und selbst beim Reisen mit dem Zug: das Tempo ist relativ. So sagte doch auch letztes Jahr Gaël Métroz in seinem Film "Nomad's Land - sur les traces de Nicolas Bouvier" (http://www.nomadsland-lefilm.com/): "Unglaublich, in 3 Tagen raste ich von Genf aus mit dem Zug nach Istanbul. Nicolas Bouvier brauchte dazu in den 1950er Jahren 3 Monate!" Bouvier's Reisebericht ("L'usage du monde") ist übrigens sehr lesenswert!


Pourquoi ne prenez-vous pas le train cette fois?
  • pour pouvoir profiter de faire une soirée pâtes carbonara à mille lieues de l'arrêt de bus le plus proche
  • pour aller voir cette petite église isolée et ces grottes au-delà des collines
  • pour oser accepter cette grande bouteille de champagne
  • pour ressentir totalement le brouhaha des caravanes de l'orient
  • pour dormir un peu plus tranquille quand le souffle de l'ours se fera sentir
  • pour pouvoir s'arrêter là, tout de suite, pour prendre une photo avec cette lumière rasante
  • pour vivre tout cela en symbiose avec ses rêves professionels
  • pour réaliser le privilège mais aussi les limites de la mobilité motorisée individuelle
Warum nehmt ihr diesmal nicht den Zug?
Tja, viele Antworten auf diese Frage! Ein Grund ist: Wir haben diesmal noch mehr Zeit als üblich, nämlich 6 Wochen. Deshalb müssen wir nicht mit dem Nachtzug durchs Land rasen, sondern können so viele Zwischenhalte wie möglich einlegen. Andererseits sind 6 Wochen doch nicht 6 Monate, so dass wir nicht immer 2 Tage auf die nächste Verbindung warten möchten / können. Darum drängte sich ein "individuelles Fahrzeug" auf. Aber dieses Fahrzeug muss gewisse Bedingungen erfüllen: Es muss Ausdauer haben, auch auf schlechten Strassen in bergigen Regionen, es soll nicht brandneu, sondern eher alt, aber trotzdem fahrtüchtig sein, es muss möglich sein, kleinere Reparaturen ohne Elektronik vorzunehmen und idealerweise bietet es sich an, 2 Reisende auch mal über Nacht zu beherbergen. In einem 253 Seelen-Dorf (http://www.saulcy.ch/) im Schweizer Jura wurden wir fündig: Unser Reisegefährt ist ein kleiner Landrover aus dem Jahre 1987! Le voilà:


Inspirationen für die nächste Reise

Ella Maillart, 1932: "Parmi la jeunesse russe" (Übersetzung auf Deutsch: siehe weiter unten):

„Que pensez-vous des Alpes comparées au Caucase?“ continuai-je.

„Les deux chaînes présentent des massifs splendides; ce sont les conditions environnantes qui sont différentes. D’abord la latitude crée ici des jeux de lumière variés, aux contrastes marqués. Puis les sommets volcaniques de l’Elbrouz et du Kazbek rappellent la Cordillère, et il n’y a rien de semblable dans les Alpes. Mais surtout, indépendamment des nombreux 5'000 qui tentent les amateurs d’altitudes, il y a tant d’aiguilles, de dents d’arêtes, de parois à explorer que le plus blasés ont de quoi être satisfaits.“

„Au Caucase, point n’est besoin de découvrir une cinquième face à une montagne pour faire enfin une ascension nouvelle. La cabane confortable avec gardien n’existe pas encore. Quel ennui, d’ailleurs, ces cabanes toujours encombrées où le soleil est introuvable! Quelques refuges vont être construits, mais pour le moment c’est le régime du sac de couchage et de la tente. Pas de confort. En revanche, on est gagné par la fièvre de l’aventure et de l’exploration qu’on ne saurait chercher trop loin! Ceux qui ont vécu dans les solitudes du Caucase ne les oublieront jamais.

Hôteliers suisses, comment lutterez-vous contre cette concurrence menaçante? L’été prochain, un service d’avion desservira l’Elbrouz; le tourisme avance à pas de géant en Russie... Qu’allez-vous faire? Rehausserez-vous le Cervin d’un millier de mètres? Allez-vous ‚wildifier’ quelques montagnes, créant de nouvelles arêtes à coups de dynamite?“


Deutsch:

Ella Maillart, 1932: "Auf kühner Reise. Von Moskau in den Kaukasus"


„Was halten Sie von den Alpen, verglichen mit dem Kaukasus?“ frage ich weiter.

„Beide Gebirge bestehen aus grossartigen Massiven, die Unterschiede liegen in der Umgebung. So bewirkt die andere geographische Breite hier ein vielfältiges Licht- und Schattenspiel, und die vulkanischen Gipfel des El’brus und Kazbek erinnern eher an die Anden. In den Alpen findet sich nichts Vergleichbares. Abgesehen von den zahlreichen Fünftausendern, die die Liebhaber schwindelnder Höhen reizen, kann man hier aber vor allem so viele Zacken, Zähne, Kämme und Wände erforschen, dass selbst die abgebrühtesten Alpinisten auf ihre Rechnung kommen.“

„Im Kaukasus braucht man nicht eine fünfte Wand an einem Berg zu entdecken, um endlich einmal eine Erstbesteigung machen zu können. Die bequeme Hütte mit Hüttenwart gibt es noch nicht. Sie sind übrigens lästig, unsere ständig überfüllten Hütten, in denen man keinen Schlaf finden kann! Man hat hier zwar vor einige Unterstände zu bauen, aber im Moment muss man sich noch mit Zelt und Schlafsack begnügen. Jeglicher Komfort fehlt. Dafür packt einen die Freude am Abenteuer und am Entdecken. Beides ist in Griffnähe! Wer die Einsamkeit des Kaukasus erlebt hat, wird sie nie wieder vergessen.

Ich frage mich, wie sich die Schweizer Hotelbesitzer gegen diese drohende Konkurrenz wehren werden, wenn der Tourismus in der Sowjetunion mit Riesenschritten voranschreitet und im nächsten Sommer der El’brus mit dem Flugzeug erreichbar sein wird. Das Matterhorn um tausend Meter aufstocken? Oder einigen Bergen durch neue, mit Dynamit geschaffene Kämme und Zacken eine wildere Atmosphäre geben?“

Wilde Bergzacken - Bild von den Alpen oder aus dem Kaukasus? ;-)


Mehr zu Ella Maillart: http://www.ellamaillart.ch/