29.10.2010

Mit der Fähre in 48 Std. von Batumi (GE) nach Odessa (UKR).

Den Abschied von Georgien haben wir verpasst, ja sogar buchstäblich verschlafen!
Das kam so: Am Sonntagabend spät haben wir dank einer Bekanntschaft mit einem Georgier, (der sich übrigens in Zürich, und sogar in unserem Quartier, bestens auskennt, weil er dort 4 Jahre lang gearbeitet hat) zum etwa 5. Mal das Büro von Instra, das die Transporte der Ukrainischen Fährgesellschaft organisiert, aufgesucht. Die zuständige Dame war bisher sehr kurzangebunden (Link: www.ukrferry.com - die automatischen Uebersetzungen auf Deutsch und Englisch sind sprachlich recht amüsant...!) und unhöflich gewesen. An diesem späten Sonntagabend aber, ihr Chef, mit dem sie sich dauernd stritt, war gerade abwesend, war sie plötzlich freundlich und dank unseres georgischen Übersetzers erfuhren wir, dass wir nun doch nicht nachts um 03 Uhr die Fähre nehmen müssen, sondern erst gegen Mittag am anderen Tag. Das war natürlich viel angenehmer. Am Montagvormittag, kurz nach 11h, waren wir also am Hafen. Bis wir die richtige Einfahrt fanden und im richtigen Büro die richtigen Papiere abgestempelt hatten, dauerte es wiederum eine Weile, aber schliesslich wurden wir ins Hafengelände eingelassen. Als erstes musste das Fahrzeug über eine "Desinfektions-Spritze" fahren, danach wurden wir auf einen Parkplatz gewiesen mit einem knappen Hinweis, dass wir gegen 17 Uhr wohl an Bord würden gehen können. Also richteten wir uns entsprechend auf die Warterei mit Lesen und Schreiben ein. Um die Mittagszeit herum kochten wir uns ein Risotto auf der Motorhaube unseres Reisegefährts und erregten damit die interessierte Aufmerksamkeit der Polizisten und Zöllner auf dem Hafengelände, die selber auch nicht wahnsinnig viel zu tun hatten. Zum Glück war das Wetter mal wieder spätsommerlich warm, so dass wir diesen Tag sozusagen als "sonnigen Ferientag am Meer" verbuchen konnten. In gemächlichem Tempo wurde Lastwagen um Lastwagen auf die Fähre geladen. Eine Lokomotive schob Güterwagen mit Alteisen hin und her und weiter hinten hob ein Hafenkran Container um Container von einer Beige auf eine andere Beige, sozusagen Legospiel im Grossformat.

Die Fähre trägt den Namen der Ostdeutschen Stadt Greifswald und war dort im Jahre 1987, also noch zu DDR-Zeiten gebaut worden. Bei genauem Hingucken konnte man sogar sehen, dass die Buchstaben "Rostock" weiss uebertüncht und mit den blauen Lettern von Batumi überklebt worden waren.
Kurz nach 17 Uhr kam tatsächlich Bewegung in unsere Sache: Plötzlich durften wir losfahren und uns auf die Rampe, die ins Schiffsinnere fährt, stellen. Auf der Rampe wurden nochmals die Pässe kontrolliert. Alle Kontrollen finden hier anhand von langen Listen auf viel Papier statt - das elektronische Zeitalter scheint noch nicht ganz angekommen zu sein. Im Schiffsinnern wirkte
unser Fahrzeug neben all den riesigen Lastwagen recht mickrig, erntete aber dennoch interessierte Blicke der Lastwagen-Chauffeure.Im Treppenhaus zwischen dem Fahrzeugdeck und den oberen Etagen, fanden wir sogar noch einen DDR-Telfonapparat mit der Notrufnummer zur "Volkspolizei"...
Wir konnten unsere Kabine beziehen, ein geräumiger Raum mit zwei Betten, Sofa, Schreibtisch mit Stühlen und ein Badezimmer. Die Einrichtung ist nicht wahnsinnig geschmackvoll, aber alle Geräte wie Licht, Dusche, Toilette funktionierten tadellos, was ja schliesslich die Hauptsache ist. Ein besonderer Luxus war die Heizung (in Georgien werden die Haeuser vor Nov
./Dez. nicht geheizt, da das Gas, das jetzt nicht mehr aus Russland sondern aus Asserbaidschan kommt, zu teuer ist), ja wir hatten sogar Mühe, die Raumtemperatur unter 26°C zu bringen. Da wir uns den Luxus einer Aussenkabine geleistet hatten, konnten wir wenigstens durch dass Bullauge immer mal wieder frische Luft hereinlassen.
Nachdem wir an der Reception eingecheckt hatten, fragten wir noch, wann wir abfahren würden. Die Antwort: "Sobald die Fähre fertig geladen ist." Und auf die Frage, wann wir denn in Odessa ankommen wьrden, war die Antwort: am Mittwoch oder Donnerstag, je nach Wetter. Mit diesen "präzisen" Angaben richteten wir uns also in der Kabine ein. Schon bald wurde zum Abendessen gerufen. Im Speisesaal, übrigens dem einzigen rauchfreien Gemeinschaftsraum auf der ganzen Fähre, sassen recht dicht gedrängt gegen hundert Lastwagenchauffeure, die das Essen in sich hineinschaufelten. Wir setzten uns an die uns zugewiesenen Plätze des Tisches Nr. 16 und assen das längst erkaltete, nicht zu 100% identifizierbare Menü.
Und das alles ging vor sich, als wir immer noch im Hafen von Batumi standen! Zur Vorbeugung gegen Seekrankheit nahmen wir ein Medikament, das als Nebenwirkung plötzliche Müdigkeitsanfälle haben muss. Zugegeben, wir haben die russisch-sprachige Packungsbeilage nicht komplett entziffert... Jedenfalls fielen wir für etwa 2 Stunden in tiefen Schlaf, bis wir von der Lautsprecherdurchsage geweckt wurden mit dem Hinweis, dass wir zur Passkontrolle an der Reception anzutraben hätten. Dieses Prozedere verlief auch etwas unkontrolliert (die Zöllner kommen dafür extra an Bord) und dauerte seine Zeit, aber immerhin konnten wir draussen auf dem Deck bei immer noch sehr angenehmen Temperaturen warten und nicht bei der Reception, wo der Rauch so dicht war, dass man die Zöllner schon fast nicht mehr erkennen konnte. Nachdem auch dieser Teil Administration erledigt war, gab es immer noch keine Anzeichen, dass wir bald mal abfahren würden. Also legten wir uns zum zweiten Mal schlafen. Beim Aufwachen war der erste Gedanke: "Wir stehen immer noch in Batumi"! Denn nichts schien sich zu bewegen! Doch weit gefehlt: Beim Blick aus dem Fenster sahen wir, dass unsere Fähre bei strahlend blauem Himmel über ein eben solches Meer glitt - von Land keine Spur mehr in Sicht! Wir waren also mitten in der Nacht losgefahren und hatten überhaupt nichts davon bemerkt! Gemäss Berechnungen anhand unseres GPS müssen wir Georgien um etwa 02 Uhr in der Nacht verlassen haben!
Der Rhythmus an Bord wird von den Mahlzeiten gepraegt: Frühstück um 08h, Mittagessen um 13h und Nachtessen um 18h30. Obwohl das Essen kein kulinarischer Hoehenflug bedeutet, freut man sich tatsächlich auf die Abwechslung. Wir dachten uns die kluge Strategie aus, jeweils vor der Durchsage zum Essen schon im Speisesaal zu sein, um eines der ersten Menüs, das vielleicht noch warm war, zu ergattern. Doch die Teller schienen schon stundenlang parat zu sein und deren Inhalt entprechend kalt. Warmes Essen scheint nicht wichtig zu sein. Die Portionen waren immer genau gleich bemessen, Nachschöpfen gab es nicht. Auch zum Trinken musste ein Glas einer Art Limonade, die nach geräuchertem Schinken roch, genügen. Das Brot war bereits am 2. Tag so alt und hart, als wären wir nicht erst seit 36h sondern schon seit 10 Tagen von jeglicher Frischproduktzufuhr abgeschnitten. Wir hatten aber noch ein bisschen Vorräte dabei, um den Speisezettel zu ergänzen...
Langweilig wurde uns während dieser Zeit nicht. Wir ver
brachten die Stunden mit vielen Büchern und Schreibarbeiten. Am ersten Tag glich das Wetter einer Mittelmeerkreuzfahrt, so dass wir gemütlich auf dem obersten Deck in der Sonne sitzen konnten.Die Lastwagen-Chauffeure zogen es, unabhängig vom Wetter, vor, die Zeit drinnen bei Fernseher, Spiel, Rauchen und Alkohol trinken zu verbringen. Der zweite Tag war etwas bewegter: Der Himmel war verhangen und der Wellengang so spürbar, dass man sich tatsächlich wie auf einem Schiff fühlte... Andere Schiffe kreuzten wir eher selten. Einmal sahen wir aus dem Wasser hüpfende Fische, die Delphinen oder kleinen Walen glichen, da wir aber zoologisch nicht bewandert sind, konnten wir sie nicht genau identifizieren. Am frühen Morgen des zweiten Tages umrundeten wir die Halbinsel Krim, allerdings in einer Entfernung von etwa 20km, so dass wir das Ufer nicht erkennen konnten.
Etwa um 17h hiess es "Land in Sicht!" und nur eine Stunde später dockte die Greifswald im Hafen Illichievsk neben Odessa an. Die Sonne ging gerade unter und tauchte den riesigen Hafen in orange-rotes Abendlicht. Bis wir aber die Fähre verlassen konnten, dauerte es noch 3 Stunden und es war bereits Nacht. Bis wir dann definitiv das Hafengelaende nach all den verschiedenen Zollbueros verlassen konnten, waren 6.5 Stunden vergangen. Die Geduld wurde arg strapaziert, weil z.B. eine Amtsperson beim Abschreiben der Autonummer einen Tippfehler gemacht hatte und das Prozedere deswegen nochmals von vorne anfangen musste. Ausserdem wird man im Auto warten gelassen bei deutlich kühleren Temperaturen (nur wenige Grad über Null) als in Georgien! Gegen 01h30 fanden wir in Odessa ein Hotel, das noch offen war...

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