10.11.2010

Belgrad -> Zürich: die letzte Etappe

Diese letzte Etappe ist schnell erzählt. Nicht dass es uninteressant war, aber natürlich weniger "exotisch" im Vergleich zu unserem Alltag in der Schweiz. Nachdem wir von Rumänien her kommend die Grenze nach Serbien überquert hatten, diskutierten wir während den verbleibenden Kilometern bis Belgrad, wie spät es wohl sein könnte. An Grenzübergängen wird einem nie gesagt, wie spät es ist, selbst wenn man die Zeitzone wechselt. Da es bereits wieder dämmerte, wollten wir einfach nicht wahrhaben, dass es erst 16 Uhr sein könnte (und nicht 17 Uhr wie in Rumänien)! Wir hielten also nach Kirchen Ausschau, um uns schlau zu machen.
Aber die orthodoxen Kirchen haben keine Uhren auf ihrem Turm. Und bei den anderen Kirchen zeigten die Uhren entweder eine ganz andere Zeit an oder es fehlte sowieso mindestens ein Zeiger...! In Belgrad hatten wir um 18 Uhr mit dem Bekannten von Sonja abgemacht, der uns die Schlüssel von Sonjas Wohnung übergeben sollte. Sonja ist Serbin, lebt seit einiger Zeit in der Schweiz und stellte uns freundlicherweise ihre Wohnung zur Verfügung. Wir waren also punkt 19 Uhr am verabredeten Ort - und es war 18 Uhr! Uff!
Die erste Nacht in Belgrad verlief buchstäblich unruhig: Irgendwann gegen 02 Uhr schwankte das 8stöckige Haus - ein Erdbeben! Zum Glück für uns dauerte das Schwanken nur wenige Sekunden und war trotz Stärke 5.4 nicht so intensiv, dass es in Belgrad Schäden gab. Hingegen in einer Stadt 100km südlich von Belgrad stürzten Häuser ein und mindestens 2 Personen kamen ums Leben.
Am Tag schien aber alles wieder ganz normal zu sein. Sonja hatte uns einen Stadtrundgang per Mail empfohlen, den wir gerne befolgten. Wir waren sehr angetan von Belgrad. Natürlich half dabei auch das immer noch milde Herbstwetter, das uns erlaubte, gemütlich durch die Strassen zu schlendern, im Strassenkaffee zu sitzen und so den nahen Winter noch möglichst zu verdrängen.


Kurz nach 16Uhr holte uns dann aber wieder die saisonale Realität ein:
Die Sonne ging unter und um 17Uhr war es bereits dunkel - und dies am 3. November. Wie wäre das wohl am 21. Dezember?
Belgrad hat aber attraktive Shopping-Centers, in denen der ganze Tag lang die gleiche Zeit gilt...
Am zweiten Tag hiess es dann bereits wieder Abschied nehmen. Wir fuhren von Belgrad auf der Autobahn nach Zagreb, wo wir uns einen Kurzaufenthalt (bis zum Sonnenuntergang, natürlich!) leisteten, um die Altstadt auf den beiden Hügeln zu besichtigen.


Diesmal verbrachten wir die dunklen Frühabendstunden nicht in einem Shopping-Center, sondern erlaubten uns, weiterzufahren. Die sehr guten Strassenverhältnisse und westliche Vorstellungen von Einhalten von Verkehrsregeln ermöglichten dies.
Kurz vor Ljubljana fanden wir in einem sehr ländlichen Gebiet in einem Landgasthof eine Unterkunft. Wir kriegten Zimmer Nr. 1 - und rasch war klar, dass wir wieder mal die einzigen Gäste waren. Da wir Ljubljana vor 4 Jahren besucht hatten, umfuhren wir diesmal die slowenische Hauptstadt und gelangten rasch nordwärts.
Nach viel Flachland bot der Anblick der Berge - zuerst die Julischen Alpen, danach die Dolomiten - wieder etwas Abwechslung. Über Kraniska Gora gelangten wir nach Kärnten in Österreich.

Da wurden wir hart mit der westlichen (und ländlichen) Mentalität konfrontiert: Zum Mittagessen fanden wir kein einziges offenes Restaurant (Betriebsferien) und keinen einzigen offenen Laden (grosszügige Schliesszeiten über Mittag). Also mussten nochmals unser Gaskocher und die letzte Portion Curryreis herhalten.
Aber es schmeckte wunderbar!
Wählt man nicht den schnellsten, sondern den kürzesten Weg, kommt man über ein Stück Italien bei Brixen auf die Brenner-Passstrasse. Den Brenner-Pass selbst fanden wir enttäuschend und suchten darum eine Unterkunft in einem zufällig gewählten Seitental.
So landeten wir im Stubaital und mussten ganz verwundert feststellen, dass wir hier nicht mehr die einzigen Touristen waren: Die Ski- (pardon Schi-... auf österreichisch!) Saison hatte längst angefangen. Wir kriegten in einem Hotel eines der letzten Zimmer, und um einen freien Tisch fürs Abendessen zu ergattern ("Haben Sie reserviert?" - Aha, jetzt sind wir im Westen angekommen!), mussten wir einige Restaurants abklappern.
Am nächsten Tag gönnten wir uns noch eine Besichtigung von Innsbruck, so nah an der Schweiz, aber wir kannten es doch nicht und waren aber sehr positiv beeindruckt.


Von da war es dann über den Arlberg nur noch eine kurze Fahrt bis wir die Schweizer Grenze in Liechtenstein erreichten.
Gleichzeitig wurde der Himmel zum ersten Mal seit Wochen grau: ein unmissverständliches Zeichen für das Ende unserer Reise...
Wir hatten aber noch einen Job zu erledigen: In Sax, im Rheintal, besuchten wir meinen Onkel, um ihm die erfolgreich bis hierher geschmuggelte Pflümlischnapsflasche aus Rumänien zu überreichen.
Ausserdem bekam er noch einen Tannensetzling aus Belgrad: Dort waren wir nämlich in die Eröffnung des Internationalen Jahres der Wälder 2011 hineingeraten und hatten darum einen Tannensetzling gekriegt. Dieser ist jetzt bereits eingepflanzt und geniesst die Aussicht übers Rheintal. Es ist sozusagen auch ein bisschen symbolischer Ersatz für das Holz, das wir für den Innenausau unseres Reisegefährts gebraucht hatten: mein Onkel, ein Schreiner, hatte uns das Holz dafür geschenkt.

Bei Regen waren wir vor gut 6 Wochen abgereist, bei Regen kamen wir in Zürich wieder an.
Die Bilanz:
  • 44 Tage
  • 9696 km
  • 18 Länder
  • 23 Sprachen
  • 26 Grenzübertritte
  • unzählige interessante Begegnungen und Sinneseindrücke
Zu Hause fanden wir in der Post eine Zeichnung, die unsere Reise ziemlich treffend beschrieb:
"Liebes Gotti, auf meiner Zeichnung seid ihr im dukelgrünen Landi in der Nacht auf einer kurvenreichen Strasse unterwegs. Weil euch ein riesiger Töff entgegen kommt, müsst ihr fest bremsen. Darum lehnst du im Bild so nach vorne. - Schön, dass du wieder daheim bist. - Liebe Grüsse von Nik.

Weitere Bilder gibt es hier:

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