05.11.2010

Osteuropa westwärts: Ukraine - Transnistrien - Republik Moldau - Rumänien

Der grosse Unterschied zwischen Georgien und Ukraine lag für uns in der Temperatur: War es in Georgien tagsüber meist noch über 20°C gewesen, wurden wir nun in der Ukraine mit knapp 10°C und nachts mit unter Null Grad konfrontiert. Doch da die Sonne weiterhin schien und wir auch dafür ausgerüstet waren, konnte uns das nichts anhaben. Auch dauerte diese Kälte nur 2-3 Tage, später wähnten wir uns schon bald wieder im Sommer.
Odessa / Одесса, von Katharina der Grossen Ende 18. Jh. in Auftrag gegeben ist und bleibt ein Schmuckstück. Seit unserem letzten Besuch, als wir die Ukraine 2005 mit dem Zug bereist hatten, ist nochmals einiges renoviert worden und offene Strassen gibt es fast keine mehr.
Unsere Besichtigungstour fiel diesmal relativ kurz aus, weil wir noch ein nächstes Grenzübertrittsexperiment vor uns hatten. Aber fürs Posieren vor der Potemkinschen Treppe reichte es:
Anschliessend fuhren wir nordwestwärts Richtung Republik Moldau. Noch vor 5 Jahren wäre ein Grenzübertritt via Transnistrien nicht möglich gewesen (darum mussten wir damals mit dem Nachtzug einen grossen Umweg fahren).
Die Ukrainischen Zöllner nahmen es auch bei der Ausreise sehr genau. Das wichtige Papier, das wir tags zuvor nach unserer mehrstündigen Odysse am Zoll vom Hafen "erarbeitet" hatten, war ihnen gänzlich unbekannt. Ja, sogar die Möglichkeit, dass jemand mit dem Schiff ins Land einreist und mit dem Auto ausreist, ist in ihrem Computerprogramm nicht vorgesehen. Doch schliesslich durften wir durchs Niemandsland fahren und uns auf den transnistrischen Zoll gefasst machen.
Ausländer, die nicht mit dem System vertraut sind, sind ein gefundenes Fressen, bekamen wir bald zu spüren! Die Zöllner sind hochkorrupt und verlangten aufs Geratewohl 40 oder 50 € Gebühr. Doch damit nicht genug: Wenn der eine Zöllner gesehen hatte, dass ein anderer es geschafft hatte, uns eine Gebühr abzuknüpfen, verlangte er selber auch seinen Beitrag für die eigene Tasche. Das Büro, das verantwortlich war für die korrekte Einfuhr das Autos, arbeitete hingegen korrekt, wenn auch SEHR langsam. Nach einem etwa 2stündigen Prozedere - es dämmerte mal wieder bereits - konnten wir also nach Transnistrien einreisen. Wie lange wir im Land hätten bleiben dürfen, war unklar. Im Reisebuch steht, dass man in der Regel ein Durchreisevisum für 3 Stunden kriegt. Uns wurde hingegen gesagt, wir sollten ohne Anhalten raschmöglichst durchfahren. Aber es gäbe in der Hauptstadt sogar Hotels, wo man übernachten könnte... Wie auch immer, unser Ziel war es, noch am gleichen Abend Chișinău zu erreichen. In der transnistrischen Hauptstadt Tirașpol erlaubten wir uns aber dennoch einen Stop, schliesslich wollten uns doch ein paar Souvenirs aus diesem Land, das es eigentlich gar nicht gibt, besorgen. Transnistrien druckt sein eigenes Geld (transnistirsche Rubel und Kopeken) und Briefmarken.
Mit den Briefmarken kann man aber keine Post ins "Ausland" verschicken. Eine kuriose Sache, wenn man sich die Dimensionen von Transnistrien auf der Landkarte anschaut: 200km lang, 30km breit. Transnistrien hat sich ein kommunistisches Regime auf die Fahne geschrieben. Entsprechend sind Hammer und Sichel noch überall sichtbar:
Die Strassen in der Hauptstadt sind nach Marx und Lenin benannt:
Trotzdem braucht es aber eine Art Marktwirtschaft zum Überleben. Darum kümmert sich ein gewisser Herr Sheriff, dem fast alles, was es im Land gibt, gehört (Läden, Fussballclub, Restaurants, etc.).
http://de.wikipedia.org/wiki/Transnistrien
Nachdem wir 4 Briefmarken und eine transnistrische Zeitung erstanden hatten, blieben uns noch etwa 3€ übrig, die für eine Pizza in einem Restaurant reichten...
Tiraspol zu verlassen war bei Dunkelheit nicht ganz einfach, doch irgendwann fanden wir die Strasse, die uns vorbei an militärischen Stützpunkten Richtung Republik Moldau führte. Der Grenzübertritt, der ja offiziell keiner ist, aber trotzdem ganz ernsthaft gehandhabt wird, verlief korrekt, ohne Bakschisch und dauerte nicht über die Massen lange.
Gegen 20 Uhr kamen wir in
Chișinău an und bezogen in einem Hotel Quartier, das ebenfalls noch fast nach kommunistischer Tradition funktionierte: auf einem Zettel muss ausführlich festgehalten werden, wer übernachtet. Ausserdem wacht auf jeder Etage eine Babuschka übers Kommen und Gehen der Gäste. Bei der Abreise wird ausserdem streng kontrolliert, ob man wirlich nichts aus dem Zimmer geklaut hat (was hätte man denn klauen wollen???).
Chișinău ist kein Bijou: Viele Plattenbauten in mehr oder weniger gutem Zustand säumen die Strassenschluchten. Die Farbtupfer sind die vielen Werbeplakate. Dafür wird auf den Strassen recht anständig gefahren. Vortritt wird gewährt, wo einem gebührt, Rechtsüberholen ist ebenfalls verpönt. Nach Georgien, wo man "fahren kann, wie man will", mussten wir uns fast selbst ein bisschen dispziplinieren...;-)
Unser nächstes Ziel war Iași in Rumänien. Wir durchquerten also die Republik Moldau innert weniger Stunden. Die Landschaft ist sanft hügelig, aber nicht gerade spektakulär. Die Struktur der Dörfer erinnert an das, was wir schon von Nordost-Rumänien her kannten. Beim Verlassen von Chișinău, wir fuhren auf einer autobahnähnlichen Überlandstrasse mit 3 Spuren pro Fahrtrichtung, wurden wir von der Polizei angehalten: Wir seien 80 km/h statt 40 km/h gefahren. Schnell war klar, dass es sich um das wohlbekannte Spielchen einer korrupten Polizei handelte, um das Gehalt etwas aufzubessern. Da die "Strafgebühr" umgerechnet nur etwa €5 betrug, liessen wir diese Sache über uns ergehen.
Die Sprache der Republik Moldau ist übrigens Rumänisch, aber man nennt es hier Moldauisch. Die Unterschiede sind gering. Russisch ist jedoch allgegenwärtig und alle Leute scheinen es zu beherrschen und für amtliche Angelegenheiten zu benutzen. In Transnistrien hingegen wird fast nur russisch gesprochen.
Als wir zum rumänischen Zoll kamen, ging wieder mal die Sonne unter. Doch das Prozedere an der östlichen EU-Grenze verlief korrekt. Fast wären allerdings unsere georgischen Weinvorräte entdeckt worden...
In Iași fanden wir eine angenehme Unterkunft, die alle Grundbedürfnisse befriedigte: fliessendes Wasser heiss und kalt zu allen gewünschten Zeitpunkten, Heizung im Zimmer, funktionierende sanitäre Anlagen, und dies alles gleichzeitig. Oft war es nämlich bis jetzt vorgekommen, dass nur einer dieser drei Punkte funktionierte. Aus diesen und anderen Gründen kam uns Rumänien nun plötzlich sehr westlich vor. Als wir vor zwei Jahren von Westen her in das Land reisten, war unsere Wahrnehmung umgekehrt. Also alles eine Sache der Perspektive.
In Iași trafen wir eine Bekannte, die ich vor einiger Zeit an einer Tagung in Deutschland kennengelernt hatte. Wir unterhielten uns einen Abend lang über Rumänien und seine Geschichte, über die Wende und die langen Arme der Ceaucescu-Diktatur, die heute einfach auf andere Art zu spüren sind.
Die Politikverdrossenheit muss recht gross sein, da keine Regierung sich ernsthaft der Probleme annimmt, wenn sie mal die Macht in den Händen hat. Die Finanzkrise von 2008 ist immer noch spürbar und der Staat fast bankrott. Schon zum dritten Mal in Folge musste er Geld beim IWF entlehnen, um wenigstens die Löhne zahlen zu können. Und à propos Löhne: Im vergangenen Sommer wurde allen Staatsangestellten das Gehalt um 25% gekürzt, unabhängig von der Hierarchiestufe! Es ging aber niemand deswegen auf die Strasse demonstrieren...
Am folgenden Tag fuhren wir über durch die Bicaz-Schlucht und am Lacu Rosu vorbei - durch diese Region waren wir schon vor 2 Jahren gekommen - in die Provinz "Hargitha", die zu 95% ungarisch-sprachig ist.


Im Dorf Cuicsângeorgiu besuchten wir Freunde, die selber auch schon in der Schweiz und in Deutschland gearbeitet haben. Wir wurden reich verköstigt, nicht nur mit Handfestem, sondern auch mit Selbstgebranntem: es war gerade Schnapsbrenn-Saison... Wir konnten sogar eine Schapsbrennerei eines Nachbarn besichtigen, wo die flüssige Kostbarkeit aus Zwetschgen 2x gebrannt wird (um einen Alkoholgehalt von 65% und nicht nur 35% zu erreichen...).


Wir verliessen am nächsten Tag die Gegend wieder Richtung Westen, über die Ausläufer des Karpathenbogens, und durchquerten Transylvanien.
Das Ziel war Belgrad, jedoch machten wir noch einen Zwischenstopp etwa 100km vor Timișoara.
Schwimmender Brückenersatz
"Gute Reise!" - Das gab vor zwei Jahren die Inspiration, diesen Blog so zu nennen.

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